Prozessbericht: 20. Januar 2020

Am Montag, den 20. Januar, wurde ein Genosse vor dem Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Vorgeworfen wurde ihm eine Aktion am Rande der #NoPolGBW Demo in Juli gegen das geplante Polizeigesetz und ein Angriff auf den rechten Spinner Michael Stecher am Rande einer Demo.

Hier noch die Prozesserklärung, die der Genosse vor Gericht gehalten hat:

Seit 2017 ist in Baden-Württemberg, dank der Landesregierung aus Grünen und der CDU die intelligente Videoüberwachung möglich, Menschen, die sich auf öffentlichen Plätzen aufhalten werden also nicht mehr nur abgefilmt, sondern gleich eingeordnet und wegen irgendwelchen Eigenschaften verdächtigt. Die Polizei darf seit 2017 auch Handys und Computer überwachen, einfach so, um laufende Kommunikation aufzuzeichnen. Demnächst sollen die Befugnisse der Polizei noch weiter ausgebaut werden, Bodycams kommen jetzt schon zum Einsatz, präventive DNA Untersuchungen werden folgen, mit Schleierfahndungen wird die jetzt schon gängige Praxis der Kontrollen wegen Aussehen und Hautfarbe in einen legalen Rahmen gesteckt.

Dagegen gibt es Protest, ich war am 13.7 Teil der Demonstration gegen das bestehende Gesetz, sowie gegen seine Verschärfung, über 1000 Menschen waren auf der Straße. Hierzu gab es eine Kunstaktion vor der Landesgeschäftsstelle der Grünen, mit Pappkartons wurde der Eingang ‚blockiert‘ um auf die Verantwortung der Grünen für die Verschärfung der Überwachung hinzuweisen. Ein paar Pappkartons als Ursache das ich jetzt hier sitzen muss. Was sind Pappkartons gegen das Sterben im Mittelmeer, für das Niemand belangt wird? Würden Zeit und Energie bspw. der Grünen dazu verwendet werden, um Fluchtgründe zu beseitigen und flüchtenden Menschen Sicherheit zu geben, wäre diese Zeit vielleicht besser eingesetzt, als mich hier anzuzeigen.

Allerdings will vielleicht keine Partei das Sterben im Mittelmeer wirklich verhindern. Vielleicht gibt es dafür keine Gelder und Pöstchen

Diese Partei feierte letzte Woche, am 12. und 13. Januar ihr 40-Jähriges Bestehen. In den Umfragen geht es dieser Partei augenscheinlich gut, mit 21 bis 22 % bundesweiten WählerInnen gibt es eine schöne Basis für die Schwarz-grünen Koalitionen in Ländern und 2021 dann auch im Bund, die nach und nach aufploppen werden. Das macht stutzig. Grüne und CDU? Waren das nicht mal Gegner? Ging es den einen nicht um Umweltschutz, Minderheiten und Freiheitsrechte, Sozial, basisdemokratisch, gewaltfrei? Und stand die andere Partei nicht immer für das Gegenteil?

Warum können die auf einmal koalieren, zusammenarbeiten, sich in Medien, Öffentlichkeit und Politik zuzwinkern und zulächeln?

Es ist eben keine Entwicklung die auf einmal erfolgte, kein plötzliches Umschwenken einer Partei, sondern ein Prozess, der in eben jenen 40 Jahren stattfand, die jetzt gefeiert wurden.

In diesen 40 Jahren hat die Partei sich doch auch sehr gewandelt. Wer erinnert sich noch an die Zeit, in der es ein Rotationsprinzip bei Bundestags und anderen Mandaten gab, das vorschrieb alle zwei Jahre ausgewechselt zu werden? Das war den Abgeordneten dann bald zu anstrengend, ist ja auch schwierig auf Geld, Pöstchen und das Gefühl der Macht zu verzichten, also sprang das über die Klinge. Basisdemokratisch eben.

Auch das angedachte imperative Mandat, das gegen die übliche Korruption bei Repräsentativen Kammern gedacht war und schon immer ein Rotes Tuch für Liberale, Konservative und alle anderen die auf Rosa Luxemburg haben schießen lassen, gewirkt hat spielte keine Rolle. Basisdemokratisch.

Als 1990/91 dann die Letzten mit Herz ausgetreten waren konnten sich die Grünen auf das vorbereiten auf das sich viele wahrscheinlich schon lange insgeheim gefreut haben. 1998 war es dann soweit: Endlich saß man auch mal in der Regierung. Denn endlich konnte man auch Sachthemen durchsetzen, mal Politik machen und nicht nur kritisieren und labern. Verantwortung übernehmen.

Die Verantwortung bedeutete bspw. die Beteiligung an der Bombardierung Jugoslawiens, eines bösen Schurkenstaates, den man vom Töten von Zivilisten abhalten wollte, in dem man seinerseits ca. 500 Zivilisten tötete. Gewaltfrei eben.

Realpolitik stand sicher auch hinter der Zustimmung zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Mehr als 70.000 Tote, mehr als 11 Milliarden Euro Ausgaben, ein paar Brüche des Völkerrechts später, ist Afghanistan richtig befriedet, danke dafür an die Grünen.

Sachthema war für die Grünen auch Hartz 4, dass Millionen Menschen in eine Mischung aus Gängelung und Artmusverwaltung gedrückt hat. Sozial ist eben was Arbeit schafft.

Aber die Freiheit haben die Grünen doch schon immer verteidigt? Freiheit ja wenn man nicht gerade aus sicheren Herkunftsländern stammt, also unter anderem unter der Mithilfe der Grünen abgeschoben werden kann. Aber auch als normaler deutscher Bürger ist es angesichts neuer Polizeigesetze nicht mehr soweit mit der Freiheit. Die Grünen setzen dies in Baden Württemberg gemeinsam mit der Partei um, die auch den Schwarzen Donnerstag zu verantworten hat, also das Ereignis das die Grünen hier überhaupt erst an die Macht gebracht hat.

Wenn man sie darauf hinweist, dann landet man vor Gericht so wie ich das getan habe. Wie ich ja bereits gesagt habe zeigt sich der Charakter dieser Partei nicht nur durch solche Anklagen, sondern auch durch die Politik der letzten 40, oder wollen wir gnädig sein 30 Jahre.

Die Grünen sind keine Partei der Minderheiten, Freiheitrechte oder Friedensbewegten mehr. Nicht Links, vielleicht auch nicht Rechts, sondern vorne mit dabei bei der Gestaltung der seit Jahrzehnten üblichen Politik in der BRD, der traditionellen Mischung aus Repression, Heuchelei, Wirtschaftsdienerei und demokratischer Verkleisterung.

Die erneute Verschärfung des Polizeigesetzes ist, wie es aussieht beschlossene Sache. Es ist wichtig weiter für Freiheit von Überwachung und Repression und für die Freiheit zu Leben zu kämpfen, ich werde das weiter tun, gegen dieses Polizeigesetz und gegen das nächste. Die Probleme des Sterbens im Mittelmeer, der Umweltzerstörung, der Ausbeutung, der Überwachung, der Flucht und der Kriege liegen aber tiefer als nur in dem Handeln dieser oder jener Partei, im Kern geht es nach wie vor um eine Wirtschaftsweise, die nicht den Menschen, sondern den Profit als Maß, hat, weder Natur noch Lebensgrundlagen noch Bedürfnisse schätzt sondern einzig und allein ob am Ende Geld herauskommt.

Ein Gericht der Bundesrepublik wird niemals Irgendjemanden wegen der Verbrechen des Jugoslawien und Afghanistankriegs- von Deutscher Seite, der Sozialschweinereien, heuchlerischer und unsozialer Politik anklagen. Dafür fehlen diesem Staat die Gesetze, die ein solches Handeln sanktionieren würden. Naja, was nicht in diesem Staat ist, das kann ja noch in einem anderen werden.

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