„Krawallnacht“-Verfahren – Bericht vom 2. Verhandlungstag

Der zweite Prozesstag im Krawallnachtverfahren vor dem Landgericht Stuttgart startete morgens um 9, und endete um 17 Uhr. An diesem Verhandlungstag wurden Zeugen befragt, anschließend wurde der Gutachter Dr. Düring angehört. Zu Beginn berichtete Polizeikommissar (PK) Müller von seinem Einsatz in der Krawallnacht am Einkaufszentrum Gerber. An dem Abend des 20. Juni ist er von seiner Dienststelle mit einem Streifenwagen zu PK Weber nach Hause gefahren, um diesen für den Einsatz abzuholen und in die Innenstadt zu fahren, nachdem er per Funk von den Auseinandersetzungen informiert wurde. Ohne Dienstkleidung, Einsatzbefehl und mit Pfefferspray bewaffnet, stieg PK Weber vor dem Gerber aus, und versuchte mit seinem Reizgas einzugreifen. Er traf sich dabei überwiegend selbst. Zu konkreten Tathergängen konnte er letztlich wenig bis nichts aussagen. 

Als weiterer Zeuge war Kriminalhauptkommissar Korn vom Staatsschutz geladen. Er war in dem ganzen Verfahren für die Nachermittlungen innerhalb der Ermittlungsgruppe Eckensee zuständig. Das heißt, er ermittelte Schadenshöhen, und bereitete Hausdurchsuchungen und Durchsuchungsbeschlüsse vor. Auf Nachfrage der Anwältin erzählte er noch ein bisschen von der Arbeit im Staatsschutz. Aus der Befragung wurde ersichtlich, dass aktuell Herr Sitzler für den Bereich „Linksextremismus“ zuständig ist.  

Nach der Mittagspause kam der Gutachter Düring zu Wort. Wie bereits zuvor im Amtsgericht, präsentierte er das von ihm erstellte, anthropologische Gutachten anhand einer PowerPoint-Präsentation. Seine Darstellung artete in einen zweistündigen Monolog aus, das keinerlei neue Erkenntnisse hervorbrachte, und sich letztendendes auf zweifelhafte Wahrscheinlichkeitsberechnungen stützte. 

Er begann mit der Aufzählung und Beschreibung der einzelnen Tathandlungen (insgesamt 10 Stück). Wie bereits zuvor berichtet, wertete er die Vorauswahl an Videos aus, die die Polizei (John & Fiedler) zuvor getroffen hatte, und verglich diese mit Videomaterial vom Staatsschutz, in der Absicht, zuvor markierte Personen zu identifizieren.

Anschließend ging er auf verschiedene Merkmale ein (grob/fein) und versuchte anhand der Videos aus der Tatnacht darzustellen, wie diese einen Rückschluss auf den angeklagten Genossen ermöglichen sollen.
Für sein Gutachten und die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit einer Übereinstimmung reichten dem Gutachter lediglich zwischen 8-30 allgemeine Merkmale. Dass es sich dabei um Merkmale handelt, die bei einer Vielzahl an Personen vorzufinden sind, und die Grundlage seine Auswertung eine politisch motivierte Vorauswahl von Seiten des Staatsschutzes war, ließ er völlig außer acht. Beispielsweise nahm er immer wieder Bezug auf die „dunkle Jacke“ oder „mittlere Statur“ der Person auf den Videos. Zur Veranschaulichung: allein im Gesicht gibt es weit über 200 Merkmale, auf die man sich beziehen könnte oder müsste. Nur ist das Gesicht der Person auf den Videos nie zu erkennen.

Nach seinen Ausführungen gab es eine Reihe kritischer Nachfragen der Verteidigerin, die weitgehend unbefriedigend und ausschweifend beantwortet wurden. Daraufhin stellte die Verteidigung zum Ende des Prozesstages einen Antrag auf ein neues Gutachten, da das Vorhandene nicht fachgerecht erstellt wurde und viel zu allgemein ist, um eine Verurteilung zuzulassen.

Über diesen Antrag wird zu Beginn des kommenden Prozesstages entschieden.

Am 28.09. findet der letzte Prozesstag in dem Verfahren statt, dann soll auch das Urteil gesprochen werden. Kommt deshalb wieder um 8 Uhr zur Kundgebung und solidarischen Prozessbegleitung vor das Landgericht.  

Am 27.09. findet der Berufungsprozess zu dem anderen Verfahren im Kontext der Krawallnacht statt. Auch da seid ihr Aufgerufen, zur solidarischen Prozessbegleitung, ab 8 Uhr vorbei zu kommen, und der Genossin zur Seite zu stehen.

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