Am Mittwoch den 22.01.2020 kamen ca. 50 Antifaschistinnen und Antifaschisten vor der Außenstelle des Landgerichts Karlsruhe in Pforzheim zusammen, um solidarisch die Berufungsverhandlung gegen drei Stuttgarter Antifaschisten zu begleiten. Die drei Genossen waren vor knapp drei Jahren erstinstanzlich zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt worden.
Konkret wurde ihnen vorgeworfen, im Jahr 2015 eine Gruppe Nazis in einem Zug angegriffen und verprügelt zu haben. Diese befanden sich auf der Anreise zu den damals wöchentlich stattfindenden rechten Demonstrationen von „Kargida“, dem Karlsruher Ableger der rechten Pegida-Aufmärsche. Unter ihnen befand sich Fabian Koeters, damaliger Kader der Nazipartei „Die Rechte Enzkreis“. Durch entschlossenes Handeln konnte damals die Weiterfahrt der Nazis verhindert werden. Angeklagt wurden die Antifaschisten auf Grundlage der Aussagen der Nazis und Fotos, die diese von linken Demos gemacht hatten.
Wie das erste Verfahren 2017 wurde auch der heutige Prozess schon im Vorhinein von einer politischen Solidaritätskampagne begleitet. In den vergangenen Wochen gab es in mehreren Städten in Baden-Württemberg Veranstaltungen unter dem Motto: „Weil‘s notwendig ist! Entschlossen gegen Nazis und solidarisch gegen Repression“. Neben der Notwendigkeit antifaschistischer Abwehrkämpfe stand dabei der Umgang mit staatlicher Repression im Vordergrund. Die zunehmenden Angriffe auf linke Bewegungen und AntifaschistInnen sind Teil des Rechtsrucks und dadurch Anlass für uns, uns vermehrt mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Ein Ergebnis der Solidaritätsarbeit war die bewusste Auseinandersetzung damit, wie wir als ProzessbeobachterInnen vor Gericht auftreten und welche Wirkung das auf die Beteiligten hat. So erschienen die meisten UnterstützerInnen in Antifa-Shirts und wir konnten durch kollektives Handeln ein Zeichen der Stärke setzen und verdeutlichen, dass unser einziges Anliegen an diesem Tag die Unterstützung unserer Genossen ist.
Trotz massig Polizei vor Ort, gab es immer wieder selbstbestimmte Momente, in denen beispielsweise den Vertretern der Klassenjustiz vorauseilende Höflichkeits- und Respektgesten verweigert wurden.
Wie schon im ersten Verfahren, ließen sich die angegriffenen Nazis als Nebenkläger vom einschlägig bekannten Nazianwalt Alexander Heinig aus Stuttgart vertreten. Als Folge und Erfolg des Vorfalls sind sicherlich die von den Nazis beschriebenen Auswirkungen zu sehen: Demnach meidet einer der Rechten seither Bahnhöfe und Zugfahrten, während Fabian Koeters angab, sich als Folge des Angriffes von seiner politischen Aktivität zurückgezogen zu haben.
Innerhalb des Verfahrens zeichnete sich rasch ab, dass es zu einer Einigung kommen wird. So wurden schlussendlich die Haftstrafen der drei Antifaschisten reduziert und zur Bewährung ausgesetzt. Das Publikum verdeutlichte einmal mehr durch kollektives Verlassen des Gerichtssaals während der Urteilsbegründung, was es von der bürgerlichen Rechtsprechung hält: Rein gar nichts!
Im Anschluss fand eine Veranstaltung statt, in der die Betroffenen die Gelegenheit zur kollektiven Auseinandersetzung nutzten, die Prozesse Revue passieren zu lassen und die Form der politischen Prozessführung zu reflektieren.
Einmal mehr hat sich gezeigt: Naziprobleme und voranschreitender Rechtsruck lösen sich nicht von allein! Erfolgreicher antifaschistischer Abwehrkampf bemisst sich nicht allein am bürgerlichen Gesetzbuch, sondern vielmehr an der Notwendigkeit der gewählten Mittel.
Kein Gericht wird etwas daran ändern, dass auch in Zukunft schlagfertiger und effektiver Widerstand gegen Rechts organisiert wird!
… Weil‘s notwendig ist!