Kundgebung – Erinnerung an Eugen Schönhaar – – Esslingen 01.02.2024 – 100 Jahre Rote Hilfe

Eugen Schönhaar – Familie Schönhaar – wer weiß noch von ihnen? Um an ihr Leben und ihren Kampf zu erinnern, wurde von VVN und der Linken Partei zum 90. Jahrestag der Ermordung Eugen Schönhaars eine Kundgebung in Esslingen – seinem Geburtsort – organisiert. Etwa 40 Menschen versammelten sich am Gedenkstein. Auch wir, die Ortsgruppe der Roten Hilfe Stuttgart, waren dazu eingeladen.

Wenn wir uns die Biographie von Eugen Schönhaar wie der ganzen Familie vor Augen führen, dann berührt uns der Mut und die Konsequenz, mit der sie dem Faschismus trotzten und für eine menschliche, eine kommunistische Perspektive eintraten.

Eugen Schönhaar wurde am 30.10.1898 in Esslingen als fünftes von sechzehn Kindern geboren, war bald in der sozialistischen Arbeiterjugend organisiert, dann in der Spartakusgruppe und arbeitete bis zu seiner ersten Verhaftung – wegen eines illegalen Antikriegstreffens 1916 – in der Maschinenfabrik Esslingen. Er wird eingezogen und verletzt und von einem Militärgericht wegen Fahnenflucht verurteilt – erst mit der Novemberrevolution kommt er frei. Sein politisches Engagement setzte er nach dem 1. Weltkrieg fort. Schon 1920 gehörte er der Leitung der „Kommunistischen Jugend Deutschlands“ an, reiste 1921 zur Tagung nach Moskau und wurde in das Exekutivkomitee der kommunistischen Jugendinternationale gewählt.

Dass Eugen Schönhaar auch die Internationale Rote Hilfe mit aufbaute und Gründungsmitglied der Roten Hilfe in Deutschland war, wundert nicht. Zu offensichtlich war die Notwendigkeit, begleitend zur politischen Praxis, eine Schutz- und Solidarorganisation gegen die staatliche Repression zu etablieren. Aufgrund seines großen Organisationstalents ernannte ihn das Zentralkomitee der Internationalen Roten Hilfe am 18.12.1923 zum Leiter eines neu geschaffenen Mitteleuropäischen Büros der Internationalen Roten Hilfe in Berlin (MEB), offiziell eröffnet im April 1924. Ab Frühjahr 1925 existierten in allen 10 Ländern, für die Eugen Schönhaar zuständig war, arbeitsfähige RoteHilfe-Gremien (von Deutschland über Norwegen bis zum Balkan). Eugen Schönhaar koordinierte auch die heute noch bekannteste Kampagnen der IRH – die Verhinderung der Hinrichtung von Sacco und Vanzetti in den USA. Dafür reiste Eugen Schönhaar sowohl in die USA als auch unermüdlich innerhalb Deutschlands und Europas. Leider konnte der Vernichtungswille gegen Sacco und Vanzetti nicht gebrochen werden.

Koordinierung, Publikationen, Infomaterial zu Justizskandalen, Haftbedingungen, Verfolgung der Arbeiter*innenorganisationen waren Arbeitsfelder der Roten Hilfe, die zu einer Zusammenarbeit mit Künstlern wie John Heartfield führten. Als ein erneutes Verfahren gegen Eugen Schönhaar eröffnet wurde, reiste er in die USA zur US-Sektion der IRH.

Nach seiner Rückkehr 1929 begann er im Zentralkomitee der KPD in Berlin zu arbeiten.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten setzte er ab Frühjahr 1933 die Parteiarbeit illegal fort, wird aber aufgrund einer Denunziation Alfred Kattners am 11.11.1933 verhaftet. Alfred Kattner, der als technischer Sekretär Thälmanns in der Parteizentrale der KPD tätig gewesen war und viele Verbindungen kannte, war unter Folter zum Gestapospitzel umgedreht worden. Als solcher hatte er eine Reihe weiterer führender KPFunktionäre, darunter auch John Schehr, den Stellvertreter Thälmanns, an die Nationalsozialisten ausgeliefert. Um weitere Denunziationen Kattners und seinen Einsatz als Kronzeuge zu verhindern, ließ der Nachrichtendienst der KPD ihn am Morgen des 1. Februars 1934 in seiner Wohnung erschießen.

Die Rache kam sofort: noch in der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1934 werden Eugen Schönhaar, John Schehr, Rudolf Schwarz und Erich Steinfurth von der Gestapo aus den Gefängnissen abgeholt und am Berliner ‚Kilometerberg‘ erschossen, „auf der Flucht erschossen“, wie die Staatspropaganda lautete.

Aber alle Genoss*innen wussten, dass die vier Kommunisten einfach ermordet worden waren. Odette Schönhaar war im September 1933 mit ihrem Sohn Carlo in die Schweiz geflohen, dann weiter nach Paris, wo sie illegal lebten. Carlo schloss sich als 17jähriger Jugendlicher der Résistance an, im März 1942 wurde er verhaftet und bereits am 17.April mit 14 französischen Jugendgenossen in Paris hingerichtet. Odette, die ebenfalls in der französischen Widerstandsbewegung tätig war, kam nach ihrer Verhaftung 1942 zuerst in Gestapohaft und dann, bis zu ihrer Befreiung durch die Rote Armee im April1945, in das KZRavensbrück. Auch nach dem Krieg blieb sie politisch aktiv, arbeitete u.a. im Zentralorgan der Kommunistischen Partei Frankreichs, der L’Humanite‘.

Dieses Wissen gilt es lebendig zu halten!

Solidarität organisieren, gestern wie heute!

_____________

Literatur:

Nikolaus Brauns: Der Mann im Hintergrund. Eugen Schönhaar als Organisator der Arbeiterbewegung und der Roten Hilfe. In: Sabine Hering, Kurt Schilde (Hrsg.): Die Rote Hilfe. Die Geschichte der internationalen kommunistischen „Wohlfahrtsorganisation“ und ihrer sozialen Aktivitäten in Deutschland (1921-1941). Leske und Budrich, Opladen 2003, ISBN 3-8100-3634-x, Seite 201-210

WIKIPEDIA: Eugen Schönhaar

Dieser Beitrag wurde unter General abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.