Am 28. Dezember besuchten mehrere Bullen das Haus eines Antifaschisten, Nachdem sie das Haus
umstellt hatten, klingelten sie Sturm und schlugen gegen die Tür, um den Genossen zu einer DNA-
Entnahme mitzunehmen. Grundlage hierfür war ein richterlicher Beschluss zur DNA-Entnahme.
Dieser wurde dem betroffenen Antifaschisten jedoch im Vorfeld nicht zugestellt.
Nach mehrfacher Forderung einen Anwalt kontaktieren zu dürfen, welche mit der Begründung „Das ist ein richterlicher Beschluss, hier bringt dir dein Anwalt auch nichts mehr!“ abgewiesen wurde, legten die Bullen ohne weiteren Anlass Handschellen an und nahmen den Antifaschisten mit auf das Polizeipräsidium Ludwigsburg. Dort kam es dann schlussendlich zur DNA-Entnahme.
Wie sich dort zeigte, hatten sich die Bullen gut auf den frühmorgendlichen Einsatz vorbereitet. Ein
Arzt wurde bereits am Vortag für eine Blutabnahme unter Zwang zur Wache bestellt. Um eine
Blutabnahme zu verhindern, forderte unser Genosse ein Gespräch mit einem Anwalt, um anschließend die DNA-Entnahme per Lippenabstrich über sich ergehen zu lassen. Durch diese Vorgehensweise haben die Bullen klar gemacht, dass es ihnen um Einschüchterung und ein klares Signal in Richtung des Aktivisten geht. Während sich weite Teile der radikalen Rechten innerhalb des Repressionsapparates tummeln und rechte Chatgruppen gründen, Nazimusik hören oder Waffen für den bevorstehenden „Tag X“ horten, sind es Linke Aktivist*innen und Antifaschist*innen, die mehr und mehr durch Repression kriminalisiert werden. Bei einem zweiten Aktivisten wurde eine gleiche Entnahme knapp 2 Wochen später ebenfalls angeordnet.
Grundlage für die Entnahme war die 2. Alternative des §82g Strafprozessordnung (StPO).
Dieser Paragraph erlaubt es den Repressionsbehörden präventiv gegen uns vorzugehen.
Eine ausführlichere Einschätzung hierzu haben wir bereits 2018 bei einer gleichen Maßnahme
geschrieben:
„Vor zwei Wochen kam es in Stuttgart zu einer richterlichen Vorladung zur DNA-Entnahme. Die
Entnahme von DNA stellt einen massiven Eingriff in die persönlichen Daten dar. Durch ihre
Speicherung kann es einerseits rückwirkend zu Repression kommen, andererseits ist man für die
weitere politische Arbeit extrem eingeschränkt. Die Entnahme von DNA war in der Vergangenheit
aufgrund entschlossenen Widerstands selten. Im konkreten Fall wurde die Entnahme ohne Bezug zur vorgeworfenen Straftat präventiv angeordnet. Berufen wird sich hier auf den Paragraphen §81g der Strafprozessordnung (StPO). Dieser schafft die Möglichkeit, bei „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ und der Vermutung zukünftiger Straftaten die DNA zu entnehmen, um eine Identifizierung zu ermöglichen. Hierfür ist keinerlei Verurteilung notwendig. Auch ist der Begriff „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ nicht genau definiert und liegt im Ermessensspielraum der Repressionsbehörden. Zuletzt liegt es in ihrer Macht zu behaupten, dass eine Person in der Zukunft wieder Straftaten begehen wird. So reicht schon eine Anklage (keine Verurteilung!) und die oben beschriebene Einschätzung aus, um nach Paragraph §81g StPO eine DNA-Entnahme anzuordnen.
Die Ungenauigkeit des Begriffs „Straftat von erheblicher Bedeutung“, sowie die Möglichkeiten,
zukünftige Straftaten zu prognostizieren, gibt den Repressionsbehörden so die Möglichkeit, DNA-
Entnahmen gezielt bei uns Linken anzuordnen.Genau dies ist im aktuellen Fall geschehen. Der betroffene Genosse erhielt eine Anklage, sowie die richterliche Vorladung zur DNA-Entnahme. Für diese war aber weder die Anklage, noch sonstige Straftaten von Bedeutung; vielmehr wird die DNA-Entnahme unmissverständlich und einzig mit den politischen Aktivitäten des Betroffenen begründet.
Sollte sich diese Anwendung des Paragraphen §81g StPO durchsetzen, wird die Möglichkeit
geschaffen, DNA-Proben flächendeckend und sehr einfach zu sammeln. Das ist in dieser Form erstmalig in Stuttgart und stellt eine extreme Verschärfung der Repression dar. Bereits durch die Vorladungen zur freiwilligen DNA-Entnahme im Kontext des G20-Gipfels hat sich angedeutet, was jetzt versucht wird: die komplette Überwachung der linken Bewegung in Stuttgart und ganz Deutschland. Gleichzeitig offenbart sich nur wieder, dass es sich nicht um die Bestrafung Einzelner, sondern um gezielte Angriffe auf die gesamte fortschrittliche Linke handelt. Dieser Vorfall ist ein weiterer Angriff auf die fortschrittliche Linke in Stuttgart und zeigt die allgemeine Verschärfung der Repression.
Diese Repression ist Ausdruck eines Systems und einer Gesetzgebung, die darauf abzielen, den
Besitz und die Macht der Herrschenden im Kapitalismus zu sichern und gegen die Perspektiven der
fortschrittlichen Linken zu verteidigen. Das zeigt sich auch in einer fortschreitenden Militarisierung
im Inneren. Diese liefert die Möglichkeiten, Protest immer weiter einzuschränken und mögliche
Aufstände zu unterdrücken. Neben dem „Bullenschubsparagraphen“ §114 StGB gibt es in Baden-Württemberg, Bayern und anderen Bundesländern neue Polizeigesetze, die die Befugnisse der Polizei soweit erweitern, dass sie Geheimdiensten ähnelt. Seit Anfang Mai setzt die Polizei Stuttgart bei jeder Gelegenheit ihre neuen Drohnen ein und benutzen diese, um Protest aus der Luft zu überwachen und eine Drohkulisse aufzubauen, die abschreckend wirken soll. Hiergegen müssen wir aus der Deckung gehen und diesen Angriffen gemeinsam und offensiv entgegentreten. Strafen und Repression dürfen nicht als individuell, sondern müssen als politische Angriffe auf uns alle verstanden werden. Diese gilt es ins Leere laufen zu lassen, in dem wir uns vor Repression schützen, sowie Strukturen stärken und weiter aufbauen. Es ist wichtig, als Bewegung solidarisch zusammenzustehen – sei es auf der Straße oder vor Gericht.
Getroffen sind einige, aber gemeint sind wir alle!
Unsere Solidarität gegen ihre Repression!“