Haftstrafe ohne Bewährung lautete das Urteil des Amtsgericht Stuttgart Bad Cannstatt im Juli 2020. Auslöser des Verfahrens waren Aktionen rund um den Silvesterspaziergang an der Justizvollzugsanstalt in Stuttgart-Stammheim an Silvester 2018. Erstinstanzlich verurteilt wurde Chris, wegen Landfriedensbruch, zu 8 Monaten Knast. Am 26. Januar steht nun die Berufungsverhandlung an.
+++ Update: Die Verhandlung wurde vorerst unbestimmt verschoben +++
Von der Straße ins Führungszeugnis
Die Kriminalisierung von Chris hat eine längere Historie. Bereits 2011 saß er für mehrere Monate in Untersuchungshaft. Damals ging es um eine Bühnenbesetzung bei einer rechtspopulistischen Veranstaltung und eine körperliche Auseinandersetzung mit Teilnehmenden. Es folgten weitere Verfahren und schließlich Bewährungsstrafen für Gegenproteste gegen eine AfD-Veranstaltung 2016 und im Kontext der Hausbesetzung in der Wilhelm-Raabe-Straße 2018. Dass die Strafverfolgung immer wieder die Gleichen trifft ist dabei kein Zufall. Denn wenn es gegen Linke geht, haben Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte in Stuttgart schon lange einen besonderen Verfolgungseifer. Ganz allgemein und konkret im Fall von Chris geht es bei staatlicher Repression nicht nur darum Einzelne für angebliche Straftaten zu verurteilen; den Verfolgungsbehörden geht es um viel mehr. Politische Strömungen der Linken, die Widerstandsformen entwickeln und anwenden die das Maß des Konformen überschreiten, werden mit Repression überschüttet. Sobald Proteste und Strukturen als potenzielle Gefahr wahrgenommen werden wird zugelangt und in akribischer Kleinarbeit alles verfolgt, was kriminalisierbar ist.
Die polizeilichen Führungszeugnisse derjenigen, die eine langjährige politische Praxis haben, sind daher gefüllt mit Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. So auch bei Chris, der als aktiver Kommunist immer wieder ins Fadenkreuz der Strafverfolgungsbehörden geraten ist. Das Ziel dieser Repression, einzuschüchtern und so das politische Engagement zu brechen, lief bislang ins Leere. Was Arbeitsstunden, Geldstrafen und Bewährung nicht bewirkt haben, soll nun der Knast richten.
Erschwerend kommen zu dem am 26. Januar angeklagten Verfahren zwei Weitere. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart möchte zusätzlich eine Verurteilung für die Teilnahme an einer antifaschistischen Demonstration zum rassistischen Terroranschlag in Hanau und an einer Auseinandersetzung mit Nazis der „Identitären Bewegung“ am Rande einer Querdenkenkundgebung im Mai 2020 erwirken.
Zusammenhalt und Organisierung
Mit der Inhaftierung mehrerer Linker – alleine in Stuttgart saßen bzw. sitzen mit Findus, Dy und Jo drei Genossen in den vergangenen Monaten im Gefängnis – wird momentan der Druck auf die antagonistische und revolutionäre Linke deutlich erhöht. Da das Aufgeben politischer Positionen und einer selbstbestimmten politischen Praxis keine Option ist, müssen wir einen Umgang mit staatlichen Repression finden. Zusammenhalt und ein organisierter Umgang mit den Angriffen hilft im Umgang mit den erwartbaren Strafen. So wird der Knast nicht zum Ende der Fahnenstange sondern lediglich zu einem anderen Terrain im Kampf für eine bessere Perspektive, für eine solidarische Welt. Denn Gefängnisse liegen nicht auf einem anderen Planeten, sondern sind ein Ort gesellschaftlicher Auseinandersetzung an dem dieselben Konfliktlinien zu Tage treten.
Bei der Verhandlung am 26. Januar vor dem Landgericht muss damit gerechnet werden, dass trotz dünner Beweise und kleinlicher Vorwürfe das hohe Strafmaß aus erster Instanz bestätigt wird. Rund um das Verfahren wird es daher eine solidarische Prozessbegleitung geben.
Freiheit für Chris, Freiheit für alle politischen Gefangenen!