Heute wurde abermals am Stuttgarter Amtsgericht ein Prozess wegen den rechten Allianzen gegen eine Antifaschistin aus Stuttgart geführt. Sie soll sich an einer Sitzblockade im vergangenen Jahr im April beteiligt haben, wodurch die „Demo für Alle“ auf ihrer angemeldeten Aufzugsstrecke blockiert wurde und deshalb umgeleitet werden musste.
Hedwig von Beverfoerde, die damals als Anmelderin der rechten Anzeige erstattete kam leider nicht zum Prozess. Aber drei Polizeibeamte (ihres Zeichens Polizeihauptkommisar, Hundertschaftsführer und Kriminalhauptkommissar) wurden zur Zeugenvernehmung geladen – sie waren nur zeitweise, oder aber auch garnicht am 5. April 2014 vor Ort bei der Blockade und gaben vor Gericht ihre langjährige Erfahrung in Sachen Polizeitaktik als Rechtfertigung für ihr Agieren zum Besten, ihre mangelnde Ortskenntnis zeigte jedoch, wie wackelig ihre Argumentation war.
Erkenntnisse zum Tatvorwurf der Anklage schien nichteinmal die Richterin daraus ziehen zu können. Sie war sich nur in einem sicher: „Sie wollten blockieren und sie haben blockiert – Sie haben also ihr Ziel erreicht!“ Fast schon gleichgültig ließ sie dann aber nach einem Einwand des Verteidigers verlauten, sie könne mit einer Einstellung leben. Die Staatsanwältin schien auch etwas ratlos und so wurde das Verfahren nach langem Hin und Her, ob es nun genüge, dass die Angeklagte ansonsten „nur“ die Anwaltskosten tragen muss, gegen Sozialstunden eingestellt.
Warum solch ein Verfahren jedoch überhaupt geführt wird, ist uns allen klar. Auch wenn dieses Verfahren „nur“ mit einer Auflage von Sozialstunden endete, so bedeutet soetwas immer eine psychische und finanzielle Last, eventuell Stress zu Hause, organisatorischen Aufwand und Arbeit. Damit sollen (gerade jüngere) AktivistInnen davon abgehalten werden, sich weiter politisch zu engagieren, zu festigen und sollen isoliert werden. Doch wir begreifen solche Repressialen als Angriff auf uns alle und finden damit einen kollektiven Umgang. So waren heute etwa ein Dutzend Leute mit im Gerichtssaal als klares Zeichen der Solidarität. Auch finanziell werden wir niemanden alleine stehen lassen – Um die ganzen Repressionskosten zu stämmen, organisieren wir Aktionen und laden in diesem Zuge zur nächsten „Antirepressionsparty“ am 4. Juli ein (weitere Infos folgen).
Nach dem Grundsatz der Roten Hilfe verweigerte die Antifaschistin jegliche Aussagen vor Polizei und Justiz; ließ es sich jedoch nicht nehmen in einer Erklärung politisch Stellung zu beziehen:
Ich stehe heute hier vor dem Amtsgericht Stuttgart, mit dem Vorwurf am 5. April 2014 eine Straftat, „Stören von Versammlungen und Aufzügen“, begangen zu haben. Konkret wird mir vorgeworfen bei den Protesten gegen die sogenannte „Demo für alle“ an einer Sitzblockade teilgenommen zu haben.
Die sogenannte „Demo für alle“ besteht aus christlichen Fundamentalisten, homophoben und offen rechten oder neonazistischen Organisationen, Parteien, Gruppen und Einzelpersonen.
Unter dem Deckmantel der Proteste gegen den geplanten neuen Bildungsplan, nutzen die Akteure die allgemeine Stimmung, um ihr reaktionäres und rechtes Gedankengut auf die Straße zu tragen. Getarnt als fröhlicher Familienausflug in rosa und blau hetzen sie gegen eine vielfältige und offene Gesellschaft. Sie propagieren die Ehe zwischen Mann und Frau als Heiligtum und die Liebe zwischen Menschen gleichen Geschlechts bzw. anderer Geschlechter die nicht in ihr beschränktes Denken passen, als abnormal und unnatürlich.
Es geht ihnen dabei nicht um den Erhalt der Familie, wie propagiert wird, sondern um den Erhalt ihrer rückschrittlichen und diskriminierenden Werte und darum, die Rechte von Minderheiten einzuschränken, die in den letzten Jahrzehnten erkämpft wurden.
Mit Parolen wie „Stoppt die Gender-Ideologie und Sexualisierung unserer Kinder!“ nehmen die Rechten paradoxerweise Kinder zum Vorwand, um ihre eigenen rückwärtsgewandten und homophoben Ansichten zu legitimieren.
Im Februar 2014 konnte die erste „Demo für Alle“ erfolgreich durch antifaschistische Kräfte blockiert werden. Auf der anderen Seite bedeutete das: Polizeigewalt, etwa 200 Festnahmen, viele verletzte Antifaschistinnen und Antifaschisten und zahlreiche Prozesse.
Seitdem marschierendie Rechten regelmäßig auf; das letzte Mal am vergangenen Sonntag. Jedes Mal wurden sie mit konsequentem antifaschistischen Protest konfrontiert.
Das Phänomen “Demo für Alle” ist kein Stuttgarter Problem, die Landesregierung hat durch den Bildungsplan lediglich einen konkreten Anknüpfungspunkt geschaffen. Es handelt sich hier vielmehr um einen gesellschaftlichen Rechtsruck, einen Rollback, der sich u.a. auch in Pegida, der selbsternannten „Alternative für Deutschland“ und der sogenannten Identitären Bewegung zeigt, die ebenso Teil der homophoben Aufmärsche sind. In Dresden ist es der Rassismus von Pegida, in Stuttgart die Homophobie. Das Vorgängermodell der „Demo für alle“, „manif pour tous“ in Frankreich zeigt mit seinen massenhaften antisemitischen Aufmärschen und einem Erstarken der faschistischen „Front National“ wohin eine solche gesellschaftliche Stimmung führen kann.
Dass ich hier heute stellvertretend für alle AntifaschistInnen vor Gericht stehe, liegt nicht daran, dass ich eine angebliche Straftat begangen haben soll. Es liegt einzig und allein daran, dass wie so oft eine linke Aktivistin versucht wird mit repressiven Maßnahmen und Schikanen von Seiten des Staates zu kriminalisieren und einzuschüchtern. Während die rot-grüne Landesregierung auf die Rechten eingeht und bereits ihre Pläne zurückgerudert hat.
Die massiv zunehmende Polizeigewalt und staatliche Repression kann uns nicht daran hindern, weiterhin Widerstand zu leisten.
Auch in Zukunft wird es antifaschistische Proteste geben, wo und wann auch immer die Rechten aufmarschieren wollen. Gerade jetzt ist es wichtig für ein solidarisches Miteinander einzustehen und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zu verteidigen. Es ist notwendig, uns Rechter Hetze solidarisch entgegenzustellen. Ob in Form von Blockieren ihres Aufmarschs, durch Infiltrieren und Stören von Innen heraus, oder andere kreative Aktionsformen.
Gesellschaftlicher Rechtsruck geht uns alle an!
Keine Ruhe den rechten Hetzern!
Hoch die internationale Solidarität!
Als Schmankerl sei noch erwähnt, dass ein Polizist im Prozess erwähnte, dass er zur Ansprache der Blockierenden das Anti-Konflikt-Team vorschickte und tatsächlich meint, dass die Einsatzkräfte ohne Kampfmontur weniger als “Feindbild” der Linken gelten. Es sei ihm und allen anderen Einsatzkräften auf diesem Wege mitgeteilt, dass wir mit Bullen nicht sprechen, egal in welcher Ausrüstung sie stecken. Wir können sehrwohl selbst entscheiden, wie wir unsere Arbeit machen und brauchen keine Ratschläge oder nehmen Weisungen entgegen von Polizisten, die rechte schützen!