Repression gegen die Masse: Polizeikessel

Insbesondere gegen Blockadeversuche bei Naziaufmärschen setzt die Polizei seit Jahren verstärkt das Repressionsmittel der „Kesseltaktik“ ein. Stundenlanger „Frischluftgewahrsam“ unter teilweise unwürdigen Bedingungen ist für engagierte AntifaschistInnen wiederkehrende Realität geworden. So setzte die Polizei in Baden-Württemberg am 1. Mai 2011 in Heilbronn hunderte AktivistInnen fest, die gegen einen faschistischen Aufmarsch demonstrieren wollten, und bahnte am 30. Juli 2012 einem Kleinaufgebot der  neonazistischen NPD den Weg durch die Stuttgarter Innenstadt. In beiden Fällen haben nun AntifaschistInnen beschlossen, Klage gegen die Polizeikessel einzureichen.

Aktionen des zivilen Ungehorsams wurden in den vergangenen Jahren ein bündnisfähiges Aktionsmittel zur Verhinderung von Naziaufmärschen. Spätestens seit 2010 zum ersten Mal der Nazigedenkmarsch in Dresden mit dem Mittel der Massenblockade verhindert werden konnte, wurde bundesweit versucht, dieses Konzept zu übernehmen. Die Repressionsbehörden setzten hingegen auf eine Aufstockung der eingesetzten Polizeikräfte. Am 1. Mai 2011 sahen sich im baden-württembergischen Heilbronn etwa 1000 AntifaschistInnen mit 3900 PolizistInnen konfrontiert. Mehrere hundert DemonstrantInnen wurden bis zu elf Stunden lang eingekesselt, Getränke und der Zugang zu Toiletten erst nach Stunden vereinzelt gewährt.

Rund ein Jahr später, am 30. Juli 2012, versuchte die neonazistische NPD, mit einem zum „Flaggschiff“ deklarierten Kleinlaster bundesweit Kundgebungen durchzuführen. In Stuttgart gingen hiergegen hunderte AntifaschistInnen auf die Straße. Auch hier nutzte die Polizei die Kesselungstaktik, um den Protest einzuschränken. Etwa 70 DemonstrantInnen wurden über Stunden festgesetzt und später auf ein Polizeirevier verbracht. Bereits im März 2012 reichten fünf Betroffene des Heilbronner Kessels Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart ein. Mit den Klagen wird bezweckt, die Unrechtmäßigkeit dieser Polizeitaktik feststellen zu lassen. Auch gegen den Stuttgarter Polizeikessel haben engagierte AntifaschistInnen beschlossen zu klagen. Unterstützt werden sie hierbei durch den eigens gegründeten Arbeitskreis Kesselklage. Dieser besteht aus Betroffenen, KlägerInnen und solidarischen GenossInnen und versucht, die Klagen juristisch, politisch und finanziell zu unterstützen.

Rechtslage und Realität

Juristisch beruft sich die Polizei bei der Kesselungstaktik auf §28 des Polizeigesetzes  (Gewahrsam). Demnach darf eine Person in Gewahrsam genommen werden, wenn „auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert (…) werden kann“. Diese gesetzliche Grundlage greift jedoch meistens nicht. Bereits mehrfach haben Gerichte die Unrechtmäßigkeit vergleichbarer Polizeikessel festgestellt. Erst am 29. November 2010, also fünf Monate vor dem Heilbronner Kessel, fällte das Verwaltungsgericht Sigmaringen bezüglich eines Polizeikessels am 1. Mai 2009 in Ulm ein entsprechendes Urteil.

Bei Klagen gegen Polizeikessel handelt es sich um sogenannte „Fortsetzungsfeststellungsklagen“, da der zu beurteilende „Verwaltungsakt“ bereits erledigt ist. Es wird also die einzelne, in der Vergangenheit liegende Maßnahme durch das Gericht beurteilt und nicht der grundsätzliche Vorgang. Die Repressionsbehörden nutzen diese Vergangenheitsbezogenheit der Urteile, um immer wieder in einer anderen – nicht als rechtswidrig verurteilten – Situation die gleiche – absehbar rechtswidrige! – Taktik zu
praktizieren.

Wenn gegen Polizeieinsätze vorgegangen werden soll, reicht es daher nicht, lediglich Klage einzureichen. Entscheidend ist letztlich die politische Begleitung der Verfahren. Durch eine breite Öffentlichkeitsarbeit kann Druck aufgebaut werden. Durch ein Aufgreifen des Themas in Mobilisierungen kann Selbstbewusstsein geschaffen werden. Um Raum für antifaschistischen Protest zurück zu gewinnen, muss auf unterschiedlichen Ebenen Widerstand organisiert werden. Die Verwaltungsklagen können hierbei nur ein Mittel sein. Breiter politischer Protest und ein entschlossenes „jetzt erst recht!“ auf der Straße müssen hiermit einhergehen.

Solidarität organisieren!

Verwaltungsklagen sind ein zähes und kostenintensives Prozedere. Alleine schon das Einreichen einer entsprechenden Klage kostet als „vorläufiger Ansatz“ mindestens 363 Euro. Hinzu kommen Anwaltsrechnungen, die schnell die Tausendermarke knacken. Gerade weil solche Verfahren, um Durchschlagskraft auf die Praxis zu erhalten, politisch begleitet werden müssen, wird auch hier weiteres Geld benötigt.
Die Rote Hilfe gewährt bei Verwaltungsklagen im Rahmen von Demonstrationen nur dann Unterstützung, wenn es sich um „Präzedenzfälle“ handelt. Da die Polizeibehörden jedoch immer wieder behaupten, dass eine angeblich andere Situation als im vorliegenden Präzedenzfall vorgelegen habe, muss eine Verdichtung der Urteilslage geschaffen werden. Und nicht zuletzt müssen, um effektiv polizeilicher Willkür und staatlicher Repression auf der Straße zu begegnen, politische und soziale Bewegungen das notwendige Selbstbewusstsein entwickeln, um Kontra zu bieten.
Eine offensive Antirepressionsarbeit in Form von Klagen ist erforderlich. Hierfür ist Solidarität in Form von Spenden und Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit gefragt.

Spendenkonto:
Empfänger: Bündnis für
Versammlungsfreiheit
Kontonummer: 101612232
Stichwort: Kesselklage
Bankleitzahl: 61150020
Bank: Kreissparkasse Esslingen

Weitere Infos:
www.kesselklage.de
www.rote-hilfe-stuttgart.de.vu

Insbesondere gegen Blockadeversuche bei Naziaufmärschen setzt die Polizei seit Jahren verstärkt das Repressionsmittel der „Kesseltaktik“ ein. Stundenlanger „Frischluftgewahrsam“ unter teilweise unwürdigen Bedingungen ist für engagierte AntifaschistInnen wiederkehrende Realität geworden. So setzte die Polizei in Baden-Württemberg am 1. Mai 2011 in Heilbronn hunderte AktivistInnen fest, die gegen einen faschistischen Aufmarsch demonstrieren wollten, und bahnte am 30. Juli 2012 einem Kleinaufgebot der neonazistischen NPD den Weg durch die Stuttgarter Innenstadt. In beiden Fällen haben nun AntifaschistInnen beschlossen, Klage gegen die Polizeikessel einzureichen.

 

Aktionen des zivilen Ungehorsams wurden in den vergangenen Jahren ein bündnisfähiges Aktionsmittel zur Verhinderung von Naziaufmärschen. Spätestens seit 2010 zum ersten Mal der Nazigedenkmarsch in Dresden mit dem Mittel der Massenblockade verhindert werden konnte, wurde bundesweit versucht, dieses Konzept zu übernehmen. Die Repressionsbehörden setzten hingegen auf eine Aufstockung der eingesetzten Polizeikräfte. Am 1. Mai 2011 sahen sich im baden-württembergischen Heilbronn etwa 1000 AntifaschistInnen mit 3900 PolizistInnen konfrontiert. Mehrere hundert DemonstrantInnen wurden bis zu elf Stunden lang eingekesselt, Getränke und der Zugang zu Toiletten erst nach Stunden vereinzelt gewährt.

 

Rund ein Jahr später, am 30. Juli 2012, versuchte die neonazistische NPD, mit einem zum „Flaggschiff“ deklarierten Kleinlaster bundesweit Kundgebungen durchzuführen. In Stuttgart gingen hiergegen hunderte AntifaschistInnen auf die Straße. Auch hier nutzte die Polizei die Kesselungstaktik, um den Protest einzuschränken. Etwa 70 DemonstrantInnen wurden über Stunden festgesetzt und später auf ein Polizeirevier verbracht. Bereits im März 2012 reichten fünf Betroffene des Heilbronner Kessels Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart ein. Mit den Klagen wird bezweckt, die Unrechtmäßigkeit dieser Polizeitaktik feststellen zu lassen. Auch gegen den Stuttgarter Polizeikessel haben engagierte AntifaschistInnen beschlossen zu klagen. Unterstützt werden sie hierbei durch den eigens gegründeten Arbeitskreis Kesselklage. Dieser besteht aus Betroffenen, KlägerInnen und solidarischen GenossInnen und versucht, die Klagen juristisch, politisch und finanziell zu unterstützen.

 

 

Rechtslage und Realität

 

Juristisch beruft sich die Polizei bei der Kesselungstaktik auf §28 des Polizeigesetzes (Gewahrsam). Demnach darf eine Person in Gewahrsam genommen werden, wenn „auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert (…) werden kann“. Diese gesetzliche Grundlage greift jedoch meistens nicht. Bereits mehrfach haben Gerichte die Unrechtmäßigkeit vergleichbarer Polizeikessel festgestellt. Erst am 29. November 2010, also fünf Monate vor dem Heilbronner Kessel, fällte das Verwaltungsgericht Sigmaringen bezüglich eines Polizeikessels am 1. Mai 2009 in Ulm ein entsprechendes Urteil.

 

Bei Klagen gegen Polizeikessel handelt es sich um sogenannte „Fortsetzungsfeststellungsklagen“, da der zu beurteilende „Verwaltungsakt“ bereits erledigt ist. Es wird also die einzelne, in der Vergangenheit liegende Maßnahme durch das Gericht beurteilt und nicht der grundsätzliche Vorgang. Die Repressionsbehörden nutzen diese Vergangenheitsbezogenheit der Urteile, um immer wieder in einer anderen – nicht als rechtswidrig verurteilten – Situation die gleiche – absehbar rechtswidrige! – Taktik zu

praktizieren.

 

Wenn gegen Polizeieinsätze vorgegangen werden soll, reicht es daher nicht, lediglich Klage einzureichen. Entscheidend ist letztlich die politische Begleitung der Verfahren. Durch eine breite Öffentlichkeitsarbeit kann Druck aufgebaut werden. Durch ein Aufgreifen des Themas in Mobilisierungen kann Selbstbewusstsein geschaffen werden. Um Raum für antifaschistischen Protest zurück zu gewinnen, muss auf unterschiedlichen Ebenen Widerstand organisiert werden. Die Verwaltungsklagen können hierbei nur ein Mittel sein. Breiter politischer Protest und ein entschlossenes „jetzt erst recht!“ auf der Straße müssen hiermit einhergehen.

 

 

Solidarität organisieren!

 

Verwaltungsklagen sind ein zähes und kostenintensives Prozedere. Alleine schon das Einreichen einer entsprechenden Klage kostet als „vorläufiger Ansatz“ mindestens 363 Euro. Hinzu kommen Anwaltsrechnungen, die schnell die Tausendermarke knacken. Gerade weil solche Verfahren, um Durchschlagskraft auf die Praxis zu erhalten, politisch begleitet werden müssen, wird auch hier weiteres Geld benötigt.

Die Rote Hilfe gewährt bei Verwaltungsklagen im Rahmen von Demonstrationen nur dann Unterstützung, wenn es sich um „Präzedenzfälle“ handelt. Da die Polizeibehörden jedoch immer wieder behaupten, dass eine angeblich andere Situation als im vorliegenden Präzedenzfall vorgelegen habe, muss eine Verdichtung der Urteilslage geschaffen werden. Und nicht zuletzt müssen, um effektiv polizeilicher Willkür und staatlicher Repression auf der Straße zu begegnen, politische und soziale Bewegungen das notwendige Selbstbewusstsein entwickeln, um Kontra zu bieten.

Eine offensive Antirepressionsarbeit in Form von Klagen ist erforderlich. Hierfür ist Solidarität in Form von Spenden und Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit gefragt.

 

 

Spendenkonto:

 

Empfänger: Bündnis für

Versammlungsfreiheit

Kontonummer: 101612232

Stichwort: Kesselklage

Bankleitzahl: 61150020

Bank: Kreissparkasse Esslingen

 

 

Weitere Infos:

 

www.kesselklage.de

www.rote-hilfe-stuttgart.de.vu

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